Die Uebigauer haben zu allen Zeiten mit ihrer Kirche gelebt. Viele Generationen brachten im Laufe der Jahrhunderte an diesem Gebäude ihre Vorstellungen mit ein. Somit erzählt dieses Gotteshaus eine ganze Geschichte des Kirchgemeinde- und Stadtlebens über lange Zeiten hinweg.
Das erste Kapitel dieser Geschichte beginnt im 13. Jahrhundert. Die Kirche bildete den Mittelpunkt der damaligen Siedlung, was noch heute an dem Verlauf der Ringstraße erkennbar ist. Die alte Kirche war kleiner und umfasste nur den heutigen Altarraum. An dem Absatz an den Seitenwänden innen und außen sind die Abmessungen noch gut zu erkennen: Die Kirche war niedriger und kürzer. Aber sie hatte ein Gewölbe, was an den drei Fenstern hinter dem Altar ersichtlich ist. Der Spitzbogen des mittleren Fensters ragt bei der heutigen Deckenform deutlich über das Kirchenschiff hinaus. Der Kirchenturm hat eventuell mit der Kirche unverbunden gestanden, was auch erklären würde, warum dieser nicht symmetrisch zum heutigen Kirchenschiff steht.
Das zweite Kapitel führt uns in das 16. Jahrhundert. Uebigau war an Einwohnern gewachsen und die Kirche damit zu klein. So wurde die alte Kirche erhöht und die Lücke zwischen Kirche und Turm geschlossen. Dass auch dieser Bau ein Gewölbe besessen haben muss, zeigen die Strebepfeiler an den Außenwänden. Der Turm hatte, abgesehen von der barocken Haube, schon ungefähr sein heutiges Aussehen: Ein quadratischer unterer Bereich und ein achteckiges Obergeschoss, jeweils mit Zwillingsfenstern unterteilt. Die Restauration von 2005 orientierte sich an der Turmgestaltung dieser Zeit. Dieses zweite Kapitel der Geschichte endet mit dem großen Stadtbrand um Jahre 1681. Die Sage von der Glocke Susanne erwähnt die Zerstörung des Kirchturms. Tatsächliche Mauerwerkszerstörungen am Turm konnten 2005 bei der Restauration nachgewiesen werden. Die Kirche selbst brannte damals aus.
Die folgenden Jahre nach 1681 müssen für die Uebigauer sehr schwer gewesen sein, denn an den neuen Ausstattungsstücken ist als früheste Jahreszahl 1690 an der Kanzel zu lesen. Damit beginnt das dritte Kapitel. Dieses präsentiert die Uebigauer Kirche als eine Barockkirche. Die noch erhaltenen alten Bauelemente werden mit eingefügt bzw. barock überformt. Die Kanzel, der Altar, das alte Holztaufbecken, die Patronatslogen, die bemalte Holzdecke, innen und außen die große Schweifhaube des Turmes stammen aus jener Zeit.
Das vierte Kapitel der Uebigauer Kirche setzt sich aus vielen Einzelszenen zusammen: 1819 wird aus Teilen des Altars und der Kanzel ein Kanzelaltar zusammengesetzt; die nördliche Patronatsloge wird umgebaut: 1895 erhält die Kirche eine neue Orgel von Conrad Geissler aus Eilenburg; 1926 werden von Ferdinand Müller aus Quedlinburg die farbigen Bleiglasfenster hinter dem Altar angefertigt; neue Glocken werden an Stelle der im ersten Weltkrieg abgegebenen aufgehängt.